Unsere Mandantin erlitt einen schweren Fahrradunfall. Auf ihrem Arbeitsweg wurde sie von einer nach links abbiegenden Autofahrerin erfasst und stürzte in die Windschutzscheibe des Fahrzeugs. Hierbei erlitt sie schwere Verletzungen.
Der Notarzt verbrachte unsere Mandantin sofort in den Schockraum des nahegelegenen Klinikums. Der dort tätige Durchgangsarzt diagnostizierte ein Polytrauma inklusive einer kompletten Unterschenkelfraktur links und mehrfragmentären Humeruskopffrakturen (knöcherne Verletzung des Oberarmkopfes) beidseitig. Daraufhin ordnete er eine besondere stationäre Heilbehandlung an. Noch am selben Tag fand eine Reposition und eine osteosynthetische Versorgung des Schienbeinbruches statt.
Am Folgetag verlegte man unsere Mandantin in eine Klinik für Unfall- Hand- und orthopädische Chirurgie. Aufgrund eines Rückstaus an Operationen wurden die Schultergelenke unserer Mandantin erst eine ganze Woche später operiert. Hierbei implantierten die Ärzte unserer Mandantin Humeruskopfprothesen, anstatt die Gelenke osteosynthetisch zu versorgen, also sie operativ miteinander zu verbinden.
Aufklärungsfehler.
Über die geplante operative Versorgung der Frakturen, über die infrage kommenden Techniken und über verschiedene Implantatformen samt ihrer unterschiedlichen Risiken und Chancen war unsere Mandantin im Vorfeld der Operation nicht informiert worden. Als unsere Mandantin ihren Behandler nach dem Eingriff auf die Operation ansprach, erklärte ihr dieser, ihre Schulter sei „nicht mehr zu retten gewesen“. Da er nur noch „Brei“ vorgefunden hätte, sei die eigentlich geplante Knochentransplantation aus der Hüfte nicht mehr möglich gewesen. Deshalb habe man auf die Prothesen zurückgreifen müssen.
Der Behandler tröstete unsere Mandantin jedoch, indem er ihr erklärte, dass nach einer Rehabilitation damit zu rechnen sei, die Funktionsfähigkeit des Schultergelenks zu 70 - 80 % wiederherzustellen. Das würde in etwa dem Anheben des Armes in rechtwinkliger Position auf Schulterhöhe entsprechen. Es sei also sicher, dass unsere Mandantin ihren Alltag würde selbständig bestreiten können. Leider stellten sich die prognostizierten Verbesserungen auch Monate nach der Operation nicht ein. Unsere Mandantin blieb im Bereich ihres Oberkörpers nahezu bewegungsunfähig und litt an enormen Schmerzen. Sie war auf die dauerhafte Einnahme starker Schmerzmittel angewiesen. An dieser ausbleibenden Verbesserung konnte auch der insgesamt viermonatige Reha-Aufenthalt nichts ändern.
Aufgrund eines Personalmangels im Klinikum hatte das Personal die Angehörigen unserer Mandantin aufgefordert, ihre Körperpflege, Nahrungsaufnahme und Mobilisation zu übernehmen. Aufgrund von Berufstätigkeiten konnten die Angehörigen dies nicht ausreichend leisten. Das eigentlich dafür zuständige Pflegepersonal sprang nicht ein. Am Ende des stationären Aufenthalts hatte unsere Mandantin einen wund gelegenen Rücken inklusive Dekubitusstellen (lokale Gewebeschädigung durch Druck).
Prothesen zu groß gewählt.
Im Rahmen einer Verlaufskontrolle überwies ein Arzt unsere Mandantin an ein Gelenkzentrum. Dort sollte sie sich eine Zweitmeinung einholen. Bei der dort erfolgten Untersuchung bestätigten sich die Bewegungseinschränkungen und das chronische Schmerzsyndrom. Der Arzt stellte jedoch fest, dass die unserer Mandantin implantierte Prothese „in ihrer Größe zu groß gewählt und mit einem Hochstand eingebracht“ wurde. Im Ergebnis zeige sich hier „kein zufriedenstellendes und akzeptables Operationsergebnis“. Man erklärte unserer Mandantin in diesem Zusammenhang, dass eine Bewegungsfähigkeit mit anatomischen Prothesen nicht mehr zu erreichen sei. Der Grund dafür liege in einem Eintritt von Flüssigkeit in die knöcherne Struktur (sogenannte Resorption der Tubercula) und in der Insuffizienz der Rotatorenmanschette. Die Behandler empfahlen unserer Mandantin, die Prothesen entfernen und durch inverse Prothesen - also speziell für den Fall geeignete Prothesen, dass eine Versorgung mit normalen Prothesen nicht mehr möglich ist - ersetzten zu lassen. Jedoch sei es auch dann nicht mehr möglich, eine aktive Außenrotation des Schultergelenks herzustellen. Denn in der Zwischenzeit sei der Musculus infraspinatus auf beiden Seiten nicht mehr existent.
Um die unpassende Prothese entfernen zu lassen, unterzog sich unsere Mandantin einer erneuten Operation. Diese Operation fand nicht im Klinikum des ersten Eingriffs, sondern im Gelenkzentrum statt. In Folge des Eingriffs kam es zu einem oberflächlichen Wundinfekt, der eine nochmalige Operation erforderlich machte. Weitere Komplikationen (eine persistierende Ergussbildung und eine Prothesenluxation) traten auf. Schließlich war ein weiterer operativer Eingriff erforderlich. Nach diesen drei weiteren Eingriffen verspürte unsere Mandantin eine deutliche Linderung ihrer Schmerzen im Ruhezustand. Die Bewegungsfähigkeit der Schulter konnte dennoch nicht verbessert werden.
Es ist geplant, den Wechsel der Prothesen auch im rechten Schultergelenk durchzuführen. Unsere Mandantin wird dauerhaft eine orthopädische sowie eine physio- und schmerztherapeutische Nachbehandlung benötigen. All dies ist Folge der fehlerhaften Versorgung ihrer Frakturen im Klinikum der Antragsgegner.
Unsere Mandantin ist seitdem arbeitsunfähig. Ihren alten Beruf als Hauswirtschaftshilfe wird sie auch in Zukunft nicht mehr ausüben können. Außerdem ist unsere Mandantin bei sämtlichen alltäglichen Tätigkeiten, die die oberen Extremitäten beanspruchen, stark eingeschränkt. Ständig ist sie auf fremde Hilfe angewiesen. Sogar bei der eignen Körperpflege benötigt unsere Mandantin Unterstützung. Unserer Mandantin wurde inzwischen der Pflegegrad 3 bescheinigt.
Seit dem Unfallereignis leidet unsere Mandantin unter einer posttraumatischen Belastungsstörung mit einhergehenden Panikattacken, Depressionen und Schlafstörungen. Durch die vorgefallenen Behandlungsfehler werden diese Leiden nochmals erheblich verstärkt.
Aufklärungsfehler und Organisationsversagen.
Im Rahmen einer korrekten Aufklärung hätte unsere Mandantin hier vollständig über mögliche Operationsverfahren mit all ihren Risiken und Erfolgschancen informiert werden müssen. Stattdessen klärten die Behandler weder über die unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Gelenkersatz-Implantate auf, noch besprachen sie etwaige Nachteile einer anatomischen Prothese hinsichtlich einer möglichen bleibenden Funktionsbeeinträchtigung vor dem Eingriff. Erst nach der Operation fand ein Gespräch über die implantierte Prothese statt.
Bei einer korrekten und schonungslosen Aufklärung hätte sich unsere Mandantin zunächst eine zweite ärztliche Meinung eingeholt. Aufgrund der völlig ungenügenden Aufklärung ist die Einwilligung unserer Mandantin unwirksam, der Eingriff damit rechtswidrig.
Des Weiteren haben die Behandler im Rahmen der Operation gegen den fachärztlichen Standard verstoßen. Die eingebrachte Prothese war zu groß gewählt und mit einem Hochstand eingebracht. Auf diese Art und Weise konnte kein akzeptables Operationsergebnis erreicht werden. Aufgrund dieses Behandlungsfehlers kam es auf beiden Seiten zu einem Verlust der Infraspinatus-Muskulatur und zur Resorption der Tubercula. Der Behandlungsfehler führte also letztlich dazu, dass selbst durch einen Wechsel der Prothese eine vollständige Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Schultern nicht mehr erreicht werden konnte.
Außerdem wurde die erste Operation der Schultern zu spät durchgeführt und die postoperative Nachsorge, vor allem die Mobilisation, war mangelhaft. Das Unterlassen der Mobilisation bzw. das Beauftragen von Familienmitgliedern hiermit aufgrund von Personalmangel stellt einen Organisationsfehler des Krankenhausträgers dar. Schließlich gehört es zur Pflicht des Trägers, eine Erfüllung seiner Pflichten durch die Bereitstellung von ausreichend Personal sicherzustellen.
Außergerichtliche Regulierung - Wir fordern Schmerzensgeld.
Für unsere Mandantin fordern wir ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 120.000,00 Euro. Zudem verlangen wir den unserer Mandantin bislang entstandenen und in der Zukunft noch entstehenden Haushaltsführungsschaden, ihre vermehrten Bedürfnisse und ihren Erwerbsschaden ersetzt. Auch fordern wir ein Anerkenntnis der Antragsgegner für ihre Verpflichtung zum Ersatz aller materieller und immaterieller Schäden, die unserer Mandantin in Folge der ärztlichen Fehler in Zukunft noch entstehen werden.
Für unsere Mandanten streben wir stets eine zeitnahe und kostengünstige Regulierung an. Deshalb bemühen wir uns, schon in außergerichtlichen Regulierungsverhandlungen eine angemessene Entschädigung und ein angemessenes Schmerzensgeld zu erhalten. So können wir den hohen Kosten und der langen Dauer eines Gerichtsprozesses aus dem Weg gehen.
Für weitere Fragen zum Thema stehen Ihnen unsere Patientenanwälte sehr gerne mit Rat zur Seite. Es grüßt Sie herzlich...
… Ihr Michael Graf, Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht