Vorgeschichte.
Im Rahmen der Erstversorgung wurde Mitte September bei unserer Mandantin eine Operation des Dickdarms, aufgrund von extremen Bauchschmerzen und Verstopfung sowie einem diagnostizierten Darmverschluss, mittels Sigmaresektion mit doppelläufigem Sigmoidostoma durchgeführt.
Von dem Eingriff sind zwei Narben verblieben. Ende September wurde unsere Mandantin aus dem Klinikum entlassen.
Die Rückverlagerung des künstlichen Darmausgangs wurde drei Monate später durch ein zweites Klinikum mit anschließendem stationärem Aufenthalt durchgeführt.
Einige Zeit nach der Rückverlagerung hat sich die Bauchwand im linken Unterbauch im Bereich des künstlichen Darmausgangs geöffnet, weshalb sich unsere Mandantin an die Anspruchsgegnerin (Chefärztin) Mitte Mai des darauffolgenden Jahres wandte, welche sodann folgende Diagnose stellte:
- Narbenhernie, Durchmesser ca. 4cm, linker Mittelbauch,
- Z.n. bei AP-Rückenverlagerung,
- Z.n. Sigmaresektion mit doppelläufigem Sigmoidostoma bei Dickdarmileus durch Dickdarm volvulus bei Sigma elongatum,
- Z.n. Rückverlagerung des Ileostomas.
Die Anspruchsgegnerin schlug unserer Mandantin vor, die zwei von dem Eingriff Mitte September zurückgebliebenen Narben operativ durch eine offene Versorgung über eine Netzeinlage in Sublay-Mesh-Technik zu versorgen und eine Narbenkorrektur vorzunehmen.
Eine Woche später wurde die Mandantin daher in der Klinik der Anspruchsgegner stationär aufgenommen.
Behandlungsfehler.
Im Vorfeld des Eingriffs wurde die Mandantin im Rahmen eines verharmlosenden Aufklärungsgesprächs einen Tag vor der Operation lediglich grob über die geplante Vorgehensweise aufgeklärt. Dabei erwähnte die Anspruchsgegnerin, dass sie ein Netz einsetzen würde, um die Bauchwand zu schließen. Über die Größe des Netzes wurde hingegen nicht gesprochen. Als mögliche Behandlungsrisiken wurden ihr lediglich Wundheilungsstörungen und Infektionen genannt.
Insbesondere über die sich bei unserer Mandantin realisierten Eingriffsrisiken einer Rektusdiastase, einer asymmetrische fettige Atrophie des M. rectus abdominis und der angrenzenden Bauchwandmuskulatur sowie einer Schwäche der Rumpfmuskulatur wurde die Mandantin fehlerhaft nicht aufgeklärt.
Ferner wurde ihr erläutert, dass sie möglichst zeitnah operiert werden müsse, weshalb unsere Mandantin sogar ihre USA-Reise stornieren musste, welche sie einen Tag nach der vorhergesehenen Operation angetreten hätte. Aufgrund der angeblichen Dringlichkeit hatte die Mandantin keine Möglichkeit, sich über den Eingriff nähere Gedanken zu machen bzw. eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen.
Ende Mai führte die Anspruchsgegnerin sodann unter Missachtung des geschuldeten Facharztstandards die Implantation eines (viel zu großen) 20x15cm ProGrip-Netzes in Sublay-Mesh-Technik unter den Bauchmuskeln durch, löste mehrere Verwachsungen, präparierte den Bruchsack und entfernte ihn, mobilisierte das hintere Rectusblatt und nähte die vordere Rectusscheide. In die Mitte des (viel zu großen) ProGrip-Netzes wurde ein schmaler Keil eingeschnitten. Nach Einlage von Drainagen wurde der Bauchraum verschlossen.
Postoperativ.
Postoperativ wurde die Mandantin auf die Normalstation verlegt. Als sie wieder bei Bewusstsein war, bemerkte sie sofort, dass ihr Unterbauch eine sehr deformierte Form aufwies und nach vorne ausgebeult und besonders dick war. Der Bauchnabel war fast verschwunden und stand bis zu drei Zentimeter aus dem Bauch heraus. Ihr Oberkörper ist seit der Operation wie ausgedehnt und rundum aufgebläht. Ihre Taille war nicht mehr vorhanden und es haben sich plötzlich offensichtliche Fettrollen am Bauch und am Rücken gezeigt, welche zuvor nicht vorhanden waren. Zusätzlich litt unsere Mandantin an starken Rückenschmerzen, Bauchschmerzen sowie Problemen mit dem Stuhlgang.
Während des operativen Eingriffs wurde durch die verantwortlichen Ärzte der linke Bauchmuskel verletzt bzw. durchtrennt, was eine asymmetrische fettige Atrophie des M. Rectus abdominis und der angrenzenden Bauchwandmuskulatur links im Beckenbereich zur Folge hatte.
Aufgrund der nicht facharztgerecht durchgeführten Operation, insbesondere das Einsetzen eines viel zu großen Netzes sowie unvorsichtiges Vorgehen, wurde intraoperativ der linke Bauchmuskel der Mandantin verletzt, was einen Behandlungsfehler darstellt. Bei der Operation wurde facharztstandardwidrig keine ausreichende Befundung durchgeführt, durch welche die behandlungsfehlerbedingte Verletzung des Bauchmuskels hätte sofort diagnostiziert und entsprechend versorgt werden können.
Nachdem die Mandantin die Anspruchsgegnerin auf ihren offensichtlich deformierten Bauch ansprach, versicherte diese ihr, dass dies „normal“ sei und der Bauch nach etwa zwei Wochen wieder seine normale Form einnehmen würde.
Einige Tage nach der Operation wurde die Mandantin nach Ziehung der Drainage entlassen.
Ca. einen Monat nach der Operation stellte sich unsere Mandantin (in gesundheitlich unverändertem Zustand) zur Kontrolle bei der Anspruchsgegnerin vor. Bei diesem Termin schlug die Anspruchsgegnerin vor, sie könne die Mandantin nach Ablauf von sechs Monaten nach der Operation erneut operieren und dabei versuchen, die zentrale Narbe wieder zu öffnen und ihren Bauch enger zusammen zu nähen. Daraufhin erklärte unsere Mandantin, dass sie diesen Eingriff dann lieber in einer Spezialklinik durch einen plastischen Chirurgen durchführen lassen wolle.
Schaden.
Ende Juni begab sich die Mandantin in eine chirurgische Praxis und stellte sich bei einem der Chirurgen vor. Dieser schlug vor, eine operative Narbenkorrektur durch Exzision und Lösung von narbigen Verwachsungen, lokale Gewebeverschiebung und Dermisfettlappenplastik zur Auffüllung der Defektzone im Sinne einer Unterbauchstraffung durchzuführen.
Um eine weitere Meinung einzuholen, begab sich unsere Mandantin Mitte August zusätzlich in eine weitere chirurgische Klinik. Hier wurde ihr mitgeteilt, dass der Verdacht bestehe, dass ihr Bauchmuskel bei dem Eingriff durchtrennt worden sei. Zunächst wurde ihr daher geraten zu trainieren, um den Verdacht abklären zu können.
Die Mandantin trainierte sodann in drei verschiedenen Physiotherapiepraxen und zusätzlich zuhause. Da keinerlei Verbesserung eintrat, sich ihr Zustand vielmehr immer mehr verschlimmerte, überwies sie ihr Hausarzt erneut in die chirurgische Klinik. Dort wurde (kanpp ein Jahr nach dem Eingriff) die asymmetrische fettige Atrophie des M. Rectus abdominis und der angrenzenden Bauchmuskulatur links diagnostiziert.
Als sich unsere Mandantin ein halbes Jahr später wieder in die Klinik der Anspruchsgegner zur Untersuchung bei der Anspruchsgegnerin begab und ihr ihre Erkenntnisse des letzten Jahres mitteilte, teilte die Anspruchsgegnerin lediglich mit, dass sie sie zwar erneut operieren könne, die Wölbung am Unterbauch jedoch bestehen bleiben würde. Des Weiteren teilte sie der Mandantin mit, dass sie selbst die Muskulatur angeblich nicht verletzt hätte. Vielmehr müsse die Verletzung der Bauchmuskulatur angeblich bei den operativen Eingriffen zuvor (Darmverschluss und Rückverlagerung) passiert sein. Weiter hielt die Anspruchsgegnerin dagegen, dass die sichtbaren Bauchrollen, die am Bauch und Rücken entstanden sind, in dem Alter „normal“ seien, da man „nicht ewig schön gebaut bleibt“ und sie die vier Kilogramm, die sie seit der Operation mehr an Körpergewicht habe, doch einfach wieder abnehmen könne.
Nach weiteren Untersuchungen in der chirurgischen Klinik, in einer orthopädischen Praxis und in der chirurgischen Praxis wurde unserer Mandantin von den Ärzten erklärt, dass sie mit ihrem deformierten Bauch nun leben müsse, da ein erneuter operativer Eingriff zu riskant sei.
Anderthalb Jahre nach dem fehlerhaften Eingriff befand sich unsere Mandantin sodann in einer Reha-Klinik. Seither befindet sie sich auch in einer Trainingstherapeutischen Rehabilitationsnachsorge.
Zudem trainiert sie mit Geräten, jedoch bleibt ihr Bauch nach wie vor dick, deformiert und hart. Die Übungen stärken nur andere Muskeln, damit sich ihre Körperhaltung nicht weiter verschlechtert.
Ein erneutes MRT vier Monate nach der Reha hat bestätigt, dass der linke Bauchmuskel vollständig funktionsunfähig ist.
Wiederum einen Monat danach begab sich unsere Mandantin in die chirurgische Klinik. Dort wurde ihr erklärt, dass ihr Darm für die Wölbung ihres Bauches verantwortlich sei, da die Funktion des linken Bauchmuskels nicht mehr gegeben sei.
Gravierende Auswirkungen.
Aufgrund der behandlungsfehlerhaft durchgeführten Operation wird unsere Mandantin lebenslang darauf angewiesen sein Sport zu treiben, um ihre noch vorhandene Muskulatur zu stärken und weiterhin stehen, sich bücken und sich aufrichten zu können.
Auch ist sie seither behandlungsfehlerbedingt auf das Tragen von zwei orthopädischen Gürteln angewiesen. Einen Gürtel muss sie um die Taille tragen, um ihre Wirbelsäule zu unterstützen und einen weiteren um den Unterbrauch, damit der Darm nicht zu weit nach vorne drückt (der zweite Gürtel soll insoweit die Funktion des behandlungsfehlerbedingt durchtrennten Bauchmuskels ersetzen).
Das Tragen von Schuhen mit hohen Absätzen ist ihr behandlungsfehlerbedingt nicht mehr möglich, da dies ihren zusammengesackten Oberkörper viel zu sehr erschöpfen und nur zu noch stärkeren Schmerzen führen würde.
Die Wirbelsäule unserer Mandantin ist behandlungsfehlerbedingt völlig deformiert, seit dem fehlerhaften operativen Eingriff durch die Anspruchsgegnerin hat sie bereits 2 cm an Körpergröße verloren (162 cm anstatt 164 cm).
Zudem wirken sich die vorliegenden Behandlungsfehler auch in psychischer Hinsicht enorm aus. Der Umstand, dass ein wichtiger Muskel in ihrem Körper irreversibel zerstört wurde, was auch lebensbedrohliche Folgen haben kann, und die Mandantin anschließend mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen wurde, hat nicht nur zu Ängsten, sondern auch zu einem Vertrauensverlust in die Ärzte geführt.
Die körperlichen und psychischen Folgen der fehlerhaften Behandlung in der Klinik der Anspruchsgegner durch die behandelnden Ärzte sind für die Mandantin mithin gravierend.
Es liegt ein echter Dauerschaden mit Verschlechterungstendenz vor.
Wären die behandelnden Ärzte, insbesondere die operierende Anspruchsgegnerin, im Rahmen der Operation facharztgerecht vorgegangen, wäre es nicht zu einer Verletzung bzw. Durchtrennung des Bauchmuskels gekommen bzw. wären intraoperativ - spätestens unmittelbar nach dem Eingriff - alle Befunde erhoben worden, hätte eine Rektusdiastase mit Verletzung des Bauchmuskels früher festgestellt und entsprechend versorgt werden können.
Fakt ist, bei facharztgerechtem Vorgehen wäre eine solche Zerstörung des linken Bauchmuskels mit der Folge von enormen Bewegungseinschränkungen und Deformierungen sowie Schmerzen in sämtlichen Bereichen des Bauches und Rückens vermieden worden.
Die Behandlerseite haftet aus Vertrag, mithin besteht ein Anspruch der Mandantin gegen die Behandlerseite aus §§ 280 Abs. 1, 31 BGB i.V.m dem Behandlungsvertrag. Für unsere Mandantin fordern wir Schmerzensgeld. Wir streben eine angemessene außergerichtliche Regulierung an. So vermeiden wir die lange Dauer und die hohen Kosten eines Gerichtsprozesses.
Für weitere Fragen zum Thema stehen Ihnen unsere Patientenanwälte sehr gerne mit Rat zur Seite. Es grüßt Sie herzlich...
… Ihr Michael Graf, Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht