Bei jeder Schädigung des Körpers oder der Gesundheit eines Menschen, hat dieser einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Das bedeutet, das in den Fällen einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung und der
damit einhergehenden Gesundheitsbeeinträchtigung grundsätzlich ein solcher Schmerzensgeldanspruch besteht. Zwar kann das Schmerzensgeld die Gesundheit des geschädigten Patienten nicht wieder
herstellen, es soll diesem jedoch die Möglichkeit geben, seine Leiden durch gewisse finanzielle Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu lindern. Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass das
körperliche Wohlbefinden anhand von Vermögenswerten nicht objektiv messbar und die Bezifferung der Höhe des Schmerzensgeldes dadurch nicht ganz einfach ist. Durch die fehlende Messbarkeit in Geld
obliegt dem Richter eine Ermessensentscheidung, wobei er von gesetzeswegen keinen betragsmäßigen Beschränkungen unterliegt. Schmerzensgeldtabellen, die anhand von Vergleichsfällen aus der
gerichtlichen Praxis gebildet werden, bieten einen Anhaltspunkt für die richterlichen Erwägungen, sie sind jedoch keinesfalls bindet. Vielmehr muss die Schadensgeldbemessung unter
Berücksichtigung sämtlicher relevanter Aspekte für jeden Einzelfall individuell vorgenommen werden.
Bis zum Jahre 1985 wurde die Schmerzensgeldbemessung ziemlich vernachlässigt, was in der Regel zu geringen Schmerzensgeldbeträgen führte. Seitdem vollzieht sich jedoch eine Wandlung in der Höhe des Schmerzensgeldes. Während die Gerichte im Falle einer Querschnittslähmung ursprünglich nur 150.000,00 Euro Schmerzensgeld zusprachen, waren es im Jahre 2001 bereits 250.000,00 Euro und schließlich legte das Landgericht München für einen 48 Jahre alten querschnittsgelähmten Mann ein Schmerzensgeld von 500.000,00 Euro fest. Dies begründete das Landgericht damit, „..dass Schmerzensgelder in gewisser Weise mit der inflationären Entwicklung Schritt halten müssten und dass ein höheres Schmerzensgeld…allgemein befürwortet werde.“
Auch in der folgenden Rechtsprechung ist seither die Tendenz ersichtlich, dass viele Gerichte nicht mehr so zögerlich mit der Vergabe von Schmerzensgeld umgehen. So sprachen das OLG Köln, das OLG Hamm und das OLG Stuttgart bei Geburtsfehlern Schmerzensgeldsummen in Höhe von über 500.000,00 Euro zu. Für einen Kindsschanden hat das KG Berlin 2012 Schmerzensgeld in Höhe von 650.000,00 Euro abgeurteilt.
Der häufig eingeführte Einwand, dass die deutsche Versicherungsbranche durch hohe Schmerzensgeldbeträge zu sehr belastet werden würde, ist unbegründet. Für einen querschnittsgelähmten Menschen wird die Deckungssumme bei den Versicherungen stellenweise mit ca. 11. Mio. Euro prognostiziert. Der heutige Schmerzensgeldanteil ist in Anbetracht dessen sehr gering.
Dass die Gerichte durch die Tendenz, das Schmerzensgeld großzügiger zu bemessen, die Schmerzensgeldbeträge in Vergleichsfällen überschreiten, ist dabei unerheblich. Derartige Vergleichstabellen
bieten lediglich eine grobe Orientierung. Bereits 1976 hat der BGH betont, dass die Gerichte nicht daran gehindert sind, die von der Rechtsprechung in Vergleichsfällen gewährten Beträge zu
unterschreiten, oder über sie hinauszugehen, wenn dies durch veränderte allgemeine Wertvorstellungen oder die wirtschaftliche Entwicklung gerechtfertigt ist. Zugunsten des Geschädigten ist
insbesondere die zwischenzeitlich eingetretene Geldentwertung zu berücksichtigen, sowie die Tatsache, dass die Rechtsprechung mittlerweile bei der Bemessung des Schmerzensgeldes wesentlich
großzügiger ist als früher.
Eine Reihe von Bemessungskriterien helfen dabei, die angemessene Höhe des Schmerzensgeldes festzulegen. Dazu gehören unter anderem die Art und Schwere der Schädigung, Dauerschäden, die Intensität der Schmerzen, der Verlauf und die Dauer der Behandlung, Umfang und Anzahl operativer Maßnahmen, stationäre Behandlungen, psychische Folgen, Alter des Geschädigten und weitere Faktoren die helfen, das Ausmaß der Beeinträchtigung einzuschätzen. Auch Aspekte wie eine Verminderung der Heiratschancen, Einschränkungen in der Berufswahl und entgangene Lebensfreude durch Beeinträchtigungen bei der sportlichen Betätigung, Einschränkungen der Teilnahme am kulturellen Leben, entgangene Urlaubsfreuden etc. sind im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung zu berücksichtigen.
Wichtigstes Bemessungskriterium sind die Art und Schwere der Schädigung. Die Schwere der Verletzungsfolge wird dabei vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen sowie Leiden und Entstellungen bestimmt. Die schädigungsbedingt eingetretene Lebensbeeinträchtigung steht bei der Schadensgeldbemessung an erster Stelle. Davon inbegriffen ist insbesondere die Frage, ob Dauerschäden eingetreten sind. Derartige Schäden begründen grundsätzlich die höchsten Schmerzensgeldbeträge. Ebenso spielen psychische Folgen wie Depressionen und Persönlichkeitsveränderungen eine große Rolle. Die übrigen zu berücksichtigenden Aspekte lassen sich nicht in eine bestimmte Rangordnung aufstellen. Sie erhalten ihr Maß und Gewicht, mit dem sie die Bemessung des Schmerzensgeldes beeinflussen, erst durch ihr jeweiliges Zusammenwirken im Einzelfall.
Neben diesen Kriterien auf Seiten des Geschädigten sind auch der Verschuldendsgrad des behandelnden Arztes sowie dessen Vermögensverhältnisse und grundlose Verzögerungen bei der Schadensregulierung zu würdigen.
All diese Aspekte sind individuell zu berücksichtigen und bilden ein Gesamtbild, anhand dessen die Schmerzensgeldhöhe zu bemessen ist. Dabei muss die entscheidende, immer im Hinterkopf zu behaltende Frage sein:
„Was empfände ich als angemessen, wenn mir solch ein Schaden und Schicksal widerfahren würde?“